Besseres Coden den KIs überlassen?

Diverse Magazine wissen zu berichten, dass ChatGPT Spiele programmieren kann, Programmierfehler korrigieren und dass höchstwahrscheinlich Software-Entwickler in ungefähr drei Wochen überflüssig sind und endlich den ganzen Tag lang mit Gaming verbringen können – aber nicht mit einem von ChatGPTs Spielen, die sind nämlich eher fad. Freilich fanden Entscheider es schon immer verlockend, miesen Code billig produzieren zu lassen. Andererseits: Letztlich sind KIs auch Code, den irgendjemand schreiben muss, also müssen Entwickler nur fix umschulen, oder?

ChatGPT und Co werden genauso Jobs vernichten wie Textverarbeitungen die Schreibmaschinenhersteller und Schweißroboter Fließbandarbeiter. Gleichzeitig entstehen andere Jobs neu. So weit, so bekannt. Seit 100 Jahren ungefähr.

“ChatGPT coding on a laptop”, gemalt von Midjourney. Übrigens: Gibt man bei Stable Diffusion “Programmer” ein, erscheinen meistens fröhliche, bärtige Brillenträger in blauen Hemden…

Jetzt fürchten Autoren, Künstler und Programmierer, dass sie durch Computer ersetzt werden. Nicht ganz zu Unrecht, wenn man ehrlich isr, aber man muss schon etwas genauer hinschauen.

  1. Lizenzfragen:
    Da aktuelle KI-Systeme ohne massenweise Trainingsdaten nicht funktionieren können, und rein technisch nichts anderes tun als Fragmente dieser Daten einfach neu zusammensetzen, ist es möglich, dass dadurch Lizenzbedingungen verletzt werden. Es kann sogar sein, dass Code mit inkompatiblen Lizenzen zusammengebastelt wird. Theoretisch wäre dies mit entsprechend “mitgelernten” Lizenz-Metadaten zwar vermeidbar, aktuell ist der Ansatz der KI-Anbieter aber eher Mir-doch-egal. Dementsprechend sind auch bereits millionenschwere Klagen eingereicht worden(siehe Blogeintrag bei Bitsea).
  2. Kosten und Kontrolle:
    Die Unternehmen, die Millionen in KI-Technologie investiert haben, wollen irgendwann einen Return-of-invest. Die Systeme laufen in der Cloud unter Kontrolle der Unternehmen. Dementsprechend begibt sich in eine ungewisse Abhängigkeit, wer sich auf KI-Anwendungen hundertprozentig verlässt.
  3. Energie:
    KI verschlingt enorme Mengen an Energie. Vor allem beim besonders rechenaufwändigen Training mit möglichst vielen Daten, aber auch bei der Nutzung. Würde eine KI wie von manchen fantasievollen SciFi-Autoren beschrieben “erwachen”, würde sie sich, um das Weltklima zu retten, mit einem “du meine Güte, bin ich eine CO2-Schleuder!” erstmal selbst abschalten.

Computertechnik kann Vorgänge schneller und effizienter ausführen als menschliche Arbeitskraft. Excel ist halt etwas fixer als Papier und Bleistift. Mehr Operationen in der gleichen Zeit. KI-Textgeneratoren können Texte ebenfalls schneller schreiben als Menschen. Bilder-KIs können schneller Illustrationen erstellen als mit Photoshop oder Pinsel vertraute Menschen.

Allerdings kann die Qualität dieser Texte oder Bilder nur einen gewissen Maximalwert erreichen – sie ist begrenzt durch die Qualität der Trainingsdaten. Bekanntermaßen enthalten diese auch eine Menge Schrott. ChatGPT hat kein Problem damit, irgendwas zu erfinden, denn der Bot hat keine Möglichkeit, seine Daten einem Realitätsabgleich zu unterziehen. Im Fall von Programmcode kann er genauso Bugs oder Sicherheitslücken einbauen wie die Menschen, die den Trainingscode produziert haben. Dass Bilder-KIs öfter mal mit den menschlichen Gliedmaßen durcheinanderkommen, ist genauso amüsant wie bedenklich. Mit etwas Herumprobieren gelangt man freilich meist zu einigermaßen ansehnlichen Ergebnissen. Das reicht für Symbolbilder oder einfache Illustrationen – Gebrauchsware. Ohne künstlerischen oder kreativen Anspruch, den hat eine KI nun einmal nicht. Nur der Nutzer, der sie bedient. Und damit sind wir bei den neuen Berufsbildern. KIs kann man nicht vertrauen, man muss sie zu bedienen wissen und man muss die Ergebnisse einer Qualitätssicherung unterziehen. Das erfordert menschliche Arbeitskraft in verantwortlicher Position. Jemand, der einen Prompt aus dem Netz kopiert und in eine Bild-KI schmeißt, ist kein Künstler. Jemand, der stundenlang herumprobiert, bis ein erzeugtes Bild genau seinen Vorstellungen (oder denen seines Auftraggebers) entspricht, schon.

Gebrauchsware: KI-Bildgeneratoren können Produktionskosten z.B. von Games verringern, da kein Grafiker bezahlt werden muss, die schnell in größeren Mengen produzierbaren Bilder den Qualitätsansprüchen aber oft genügen. Hier besuchen wir einen Planeten in “Secret Galaxy”, einem aufstrebenden Weltraum-Strategie-Game für Android. Disclaimer: Der Autor ist Entwickler dieses Games.

Es ist hingegen weder realistisch noch allgemein durchsetzbar, KI-Bilder als solche zu markieren (etwa mit Wasserzeichen), um sie von “richtigen” Kunstwerken unterscheidbar zu machen. Stattdessen sollten Künstler sich fragen, wie sie die “menschliche” Schaffensqualität ihrer eigenen Werke betonen können.

KI ist neu. Es ist aber nicht die erste neue Technologie. Man muss keine Angst vor Neuem haben. Man muss schauen, wie man damit umgeht. Denn eines ist klar: Einmal in der Welt, geht eine neue Technologie nicht einfach wieder weg.

“Politiker verhandeln über Beschränkungen für KI”, dezgo.com/Epic Diffusion 1.1

Von der Politik darf man übrigens nicht viel erwarten. Bevor Regierungen oder Parteien noch die erste Kommission gebildet haben, um diese (im Vergleich zu anderen Dingen ehrlich gesagt nicht einmal allzu wichtigen) Themen zu erörtern, ist die Technologie schon bei der nächsten Generation angekommen. Wir brauchen keine Petitionen oder Moratorien. Wir müssen uns mit der Technologie kritisch auseinandersetzen und darauf reagieren. Damit umgehen. Jeder.

Zum Beispiel kann man auf die Mängel hinweisen. Das ist nichtmal besonders schwer, denn davon gibt es viele. Während manche Medien jubeln, was für coolen Kram man machen kann, brauchen wir Satiriker und Geschichtenerzähler, die KIs veralbern und deutlich machen, was sie sind: Software, die für bestimmte Zwecke geeignet ist – und für andere lieber nicht. Jedenfalls nicht ohne Kontrolle.

“Two trains entering a station”, Stable Diffusion

An dieser Stelle sei noch auf den Themenschwerpunkt “(realistische) KI” in der neuen Ausgabe des Future Fiction Magazines verwiesen. Kollege Christian J. Meier, Wissenschaftsjournalist und SF-Autor, hat darin einen differenzierten Artikel platziert, der umringt ist von deutschen und internationalen ideenreichen Kurzgeschichten zum Thema.

Auch eine Art, sich mit KI auseinanderzusetzen.

Das aktuelle Future Fiction Magazine (Deutsche Ausgabe) bringt einen Schwerpunkt zum Thema (realistische) KI jetzt und in Zukunft. Weitere Infos auf futurefiction.de. Disclaimer: Der Autor ist Co-Herausgeber des Magazins.

Der Text dieses Artikels wurde ohne KI-Unterstützung vom Autor persönlich erstellt.

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