Was muss ich da lesen? Besoffene Saugroboter?
Jetzt mal unabhängig von der Frage, ob es schlimm oder lustig ist, wenn Saugrobby wie ein verwirrter Hamster immer im Kreis fährt oder länger als sonst zum Reinigen der Wohnung braucht: Kann ja mal passieren, dass beim Abschlusstest eines Updates irgendwas übersehen wird, nicht wahr?
Ich will auch gar nicht über schlechte Testbarkeit meckern oder spekulieren, wie hoch die technische Schuld der womöglich nicht tip-top sauberen Software der betroffenen Roombas des Herstellers iRobot ist (dear iRobot, if you need help here, drop me a message!). Aber der Anlass ist willkommen für die regelmäßige Erinnung an die inhärente Fehlerfortpflanzung bei Software:
Menschen machen nunmal Fehler, das ist menschlich. Unterläuft beispielsweise einem Frisör ein Fehler, rennt hinterher ein Kunde mit doofen Haaren herum. Unterläuft einem Programmierer ein Fehler, so sind viel, viel mehr, schlimmstenfalls Millionen Nutzer betroffen, nämlich alle, die diese Software verwenden oder den fraglichen Code bei einer Sitzung auf einer Cloud-Instanz durchlaufen, falls es sich um eine Webanwendung handelt.
Während der Frisör deshalb mit einem minimalen Korrektiv auskommt (z.B. dem Kunden den Spiegel hinter den Kopf halten und fragen, ob’s gefällt), muss die Software deutlich höhere Hürden überwinden, um in die freie Wildbahn entlassen zu werden. Da ist zunächst mal die Suite von Unit Tests (Sie haben doch Unit-Tests, oder?), Integrationstests auf einer Testumgebung und die Abnahme auf einer Staging-Umgebung bzw. weitere Ende-zu-Ende-Tests, sei es automatisiert oder manuell. Im Idealfall jedenfalls. Eine Testabdeckung von 100% aller Fälle ist jedoch utopisch. Das gilt umso mehr, wenn Endgeräte im Spiel sind, die über individuelle Daten verfügen (z.B. Aufzeichnungen über die Geometrie zu saugender Räume). Die kann man nicht alle testen. Geht nicht.
Also sind halt bisweilen ein paar Staubsauger-Bots besoffen.
Software wird von Menschen geschrieben, die nicht perfekt sind. Folglich kann auch das Produkt nicht perfekt sein. Deshalb wird Software immer ein Restrisiko mit sich bringen. Es mag bei guten Programmierern (die mein Buch gelesen haben) klein sein, aber nie Null. Wer von Software Wunder erwartet, übersieht den menschlichen Faktor. Wer den menschlichen Faktor übersieht, kalkuliert Kosten für Fehlerbehebung oder Wartung nicht hinreichend in die Wirtschaftlichkeitsanalyse ein – und gelang möglicherweise zu einem Ergebnis größer als Null und ist später überrascht, wenn er draufzahlt.
Disclaimer: Nein, dies ist keine pauschale Entschuldigung für Bugs. Schon gar nicht für solche, die durch guten Code und sauberes Testen vermeidbar gewesen wären. Es ist der ausdrückliche Wunsch nach realistischen Einschätzungen.
Wer die Anfälligkeit von Software mit einrechnet, kommt nämlich auch nicht auf so drollige Ideen wie z.B. autonome Drohnen mit tödlichen Waffen oder diskriminierende Algorithmen für die Sichtung von Bewerbungsunterlagen, Anwendungen also, die ein bisschen weniger witzig sind als besoffene Roboter.
tl;dr: Vermeiden Sie Fehler – aber tun Sie nicht so, als gäbe es keine.