Am 24. Oktober beendet Whatsapp die Unterstützung für Geräte mit Android-Versionen unter 5. Wer ein Smartphone besitzt, für das es keine neuere Android-Version als 4 Punkt irgendwas gibt, steht vor der Wahl, das Gerät wegzuschmeißen und ein neues zu kaufen, oder alle seine Freunde zu verlieren.
Whatsapp begründet den Schritt mit fehlenden Sicherheitsupdates für die alten Versionen, fehlender Unterstützung für App-Features (hier würden mich mal die Details interessieren) und weil kaum noch jemand solche alten Geräte verwendet.
Im Mülleimer ist noch Platz!
Natürlich verwenden nur noch 0,00000irgendwas Prozent aller Android-Nutzer so alte Geräte, aber in absoluten Zahlen dürften das trotzdem nicht wenige sein. Ein zwar altes, aber grundsätzlich noch funktionierendes Gerät muss also auf den Elektromüll geschmissen werden, weil die Whatsapp-Entwickler keine Lust mehr haben, die App-Unterstützung für Android 4 weiter zu gewährleisten, sprich: sich mit alten Bibliotheken oder Sicherheitslücken herumzuschlagen. Irgendwo verständlich, klar.
Denn die Ursache des Übels liegt natürlich nicht bei den Entwicklern von Whatsapp, sondern bei denen von Android.
Wie selbstverständlich muss jedes Jahr eine tolle neue better-than-ever Android-Version auf den Markt kommen! Und um zu kaschieren, dass diese für die meisten Nutzer eigentlich keine nennenswerten Verbesserungen bringt, ändert man immer wieder das Design und behauptet, dass die Version noch sicherer ist als die vorherige. Was ja auch stimmt.
Bloß: Es spräche ja nichts dagegen, die Sicherheitsprobleme der vorherigen Version einfach durch Updates zu beseitigen. Bei LTS-Versionen von Linux-Betriebssystemen funktioniert das ja auch schon viele Jahre lang (und Android ist ein Linux). Würde man effizienter, modularer programmieren (und keine Bloatware installieren), wäre auch auf älteren Geräten mit wenig Speicher noch genug Platz für alles. Sicherheitspatches erfordern wohl kaum Megabyteweise neuen Binärcode!
Hach, sie können ja nicht anders
Da bekanntermaßen Hardware-Hersteller überhaupt kein Interesse daran haben, ihren Kunden zu ermöglichen, ältere Geräte länger zu nutzen, verschwenden die natürlich keine Entwicklerressourcen an solche Upgrades. Lieber springen sie auf den Google-Zug auf und bringen jedes Jahr eine neue Geräte-Generation, die eine noch tollere Kamera hat, ein noch größeres Display, ein noch hübscheres Notch oder das man in den Pool mitnehmen oder falten kann, denn das ist es ja, was wir Menschen unbedingt brauchen. Inzwischen gibt es auf diesem Planeten grob geschätzt 14 Milliarden Smartphones, jeder erwachsene Mensch besitzt also längst weit mehr als zwei (plus Tablets). Mehr als die Hälfte ist also überflüssig.
Letztlich reden wir hier von einer Ressourcenverschwendung, die das Gegenteil von nachhaltig ist und einen Material- und Energieverbrauch mit sich bringt, der in einer Welt, die vor dem Klimakollaps steht, verboten gehört. Aber die Anbieter haben ja keine Alternative: Wenn sie keine neuen Betriebssysteme oder Geräte verkaufen können, entfallen schlicht die Einnahmen und sie müssen den Laden dicht machen. Helfen könnte bei Betriebssystemen ein Abo-Modell. Gibt’s ja in anderen Branchen auch. Neue, noch leistungsfähigere Hardware ist unnötiger Schein-Fortschritt auf Kosten des Planeten. Das ist krank.
Nur ein paar Beispiele
Bei Apple ist es übrigens nur ein bisschen besser. Für mein 11 Jahre altes, aber noch tadellos funktionierendes MacBook Air, gibt es kein aktuelles MacOS X mehr, und das anstehende Update für den Chrome-Browser installiert sich nicht unter dem alten OS. Folglich bin ich fürderhin gezwungen, einen veralteten Browser zu verwenden, mir einen anderen zu suchen oder das Gerät zu ersetzen.
Noch mehr Beispiele? Ein kleines noch aus eigener Erfahrung: Beim letzten größeren Linux-Kernel-Upgrade musste ich meinen tadellos funktionierenden, nur wenige Jahre alten WLAN-Stick ersetzen, weil der Treiber für den enthaltenen Chip aus dem Kernel entfernt worden war. Wer trifft eigentlich solche rücksichtslosen Entscheidungen, die letztlich beim Endkunden Kosten und Elektromüll verursachen?! Wer trägt die Verantwortung, wem kann ich die Rechnung schicken, wem das Altgerät zwecks umweltgerechter Entsorgung?
Der Gipfel der Ressourcenverschwendung und des Hardware-Wegwerf-Wahns ist übrigens gar nicht Android, sondern Windows. Version 11 kann bekanntlich (normalerweise) nur auf Rechnern mit einem spezifischen Hardwaremodul installiert werden. Sobald also der Support für Windows 10 endet (14. Oktober 2025), müssen alle PCs ohne dieses Modul sicherheitshalber weggeschmissen werden, weil es keine Lücken-Updates mehr gibt (und Windows 10 ist voller Lücken, ach übrigens: Mit Linux kann man solche PCs noch lange weiter betreiben!). Wie viele Geräte da auf den Schrott wandern werden (oder willkommene Opfer für Verschlüsselungstrojaner werden), wage ich nicht zu schätzen.
EDIT: Inzwischen sind zwei weitere prominente Fälle aus dem Android-Bereich bekannt geworden: Die ZDF Mediathek und Youtube laufen nicht mehr unter Android 5. Immerhin verweisen beide Apps auf „Im Browser öffnen“. Was ein bisschen lächerlich ist, denn der läuft ja auch auf dem Gerät, warum dann nicht die Apps, die ja einfach in einem Chrome Webview laufen könnten?!
Diese Funktion ist @Deprecated, weil ich den Namen nicht mehr cool fand
Nicht unerwähnt bleiben soll der Aufwand, den uns als Entwickler jeder endende Software-Upgrade-Pfad aufzwingt. Jede Anwendung verwendet ja irgendwelche Bibliotheken, die ihrerseits gewisse Systemanforderungen haben. Schlicht ausgedrückt: Sobald eine neue Version von ir-gend-was.jar eine Änderung an unserem Code oder gar an den Systemvoraussetzungen unserer Anwendung ändert, müssen wir zwingend aktiv werden – aber niemand bezahlt diesen Aufwand! Diese Kosten – Zeit, Personal, Energie – müssen in unser Produkt von vornherein eingepreist werden, obwohl sie gar nicht seriös kalkuliert werden können, weil sie nicht einmalig anfallen wie der Kaufpreis, sondern laufend.
Und solche Anpassungen müssen wir dauernd machen: Nicht nur bei Android-Apps, wenn Google z.B. verlangt, dass wir die Billing-Library Version 5 für In-App-Käufe verwenden müssen, ansonsten dürfen wir unsere App nicht mehr updaten. Natürlich hat sich die API geändert, also müssen wir Dokus lesen und Codeanpassungen vornehmen, meist ohne dass unsere App dadurch auch nur einen Euro mehr Einnahmen erzeugt. Unverschämtheit!
Oder man denke an PHP-Skripte, die nicht mehr funktionieren, weil der Zugriff auf unbekannte Array-Keys seit PHP 8 standardmäßig eine Warnung statt eine Notice auswirft. Noch schlimmer waren nur die grundlegenden Änderungen am MySQL-Treiber, der alle vorherigen Funktionsnamen änderte. Welche Aufwände das weltweit verursacht hat, und wie viele PHP-Skripte seitdem einfach nicht mehr funktionieren, weil sich niemand darum kümmert, kann niemand schätzen. Nichts gegen Produktpflege, Refactoring, Bugfixing oder von mir aus Verschönerung einer API. Aber wenn man weiß, dass andere Entwickler davon abhängig sind, und eine abwärtsinkompatible Änderung Aufwände verursacht, die man selbst ja nicht hat und deshalb ein Problem anderer Leute sind, dann ist man schlicht ein rücksichtsloser Energieverschwender. Ach übrigens: Wenn man von vornherein seine Software sauber konzipiert, braucht man hinterher weniger zu ändern! Buchempfehlung siehe rechts. Und ansonsten hat man gefälligst die Bedürfnisse des Rests der Welt über die eigenen zu stellen.
Ich verlange daher zeitlich unbegrenzten Update-Support für alle Betriebssysteme wie Linux, Android, Windows, MacOS sowie für alle Open-Source-Software-Bibliotheken und -Plattformen. Neue Features können jederzeit hinzugefügt werden (bitte modular, so dass sie nur dann automatisch nachgeladen werden, wenn gewünscht bzw. wenn der Hardware-Support vorhanden ist), aber niemals dürfen vorhandene Funktionen entfernt oder geändert werden. Tatsächlich hat diese Herangehensweise einen immensen Vorteil: Es muss nur noch eine Software-Version gepflegt und mit Sicherheitsupdates versorgt werden, nämlich die aktuelle. Weniger Stress = mehr Zeit für besseres Coden!
tl;dr: Be smart, stay compatible.